DIE USA UNTER TRUMP: INTERNATIONALE VERTRÄGE KÜNDIGEN, KRIEG VORBEREITEN

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Kategorie: International
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juni 2017 23:49
Geschrieben von estro
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US-Präsident Trump hat vergangene Woche angekündigt, dass die USA nach Nicaragua und Syrien als drittes Land aus dem PARISER KLIMAABKOMMEN vom Dezember 2015 ausscheren werden. Die Entscheidung, so erklärte er, werde seinem Land Ausgaben ersparen, Arbeitsplätze erhalten und die internationale Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrie fördern.

Die Reaktion vor allem der europäischen Politik glich einem Aufschrei: Trump boykottiere mit der Kündigung die aufrichtigen Bemühungen des Rests der Welt um ein besseres Klima, hieß es, und verabschiede sich damit aus der westlichen „Wertegemeinschaft“.

Wer immer sich die Mühe macht, die Vereinbarungen von Paris näher zu betrachten, muss sich angesichts solcher Aussagen verwundert die Augen reiben: Das Pariser Abkommen enthält lediglich die Absichtserklärung, die globale Erwärmung auf „deutlich unter 2 Grad Celsius“ zu begrenzen. Es enthält keine einzige Passage, die der Mehrheit der Teilnehmer die Möglichkeit gibt, säumige Unterzeichner zu bestrafen oder zur Umsetzung der Beschlüsse zu zwingen.

Wieso also macht sich US-Präsident Trump die Mühe, ein Abkommen zu kündigen, das er ohne Mühe einfach hätte ignorieren können? Und wieso entrüsten sich vor allem europäische Politiker derart heftig? Der Grund für beide Verhaltensweisen hat wenig mit Klima und Umweltschutz zu tun ...

Trumps Kündigung: Gezielte Provokation gegen Konkurrenten der USA

Präsident Trump hat im Januar die Führung eines Landes übernommen, das sich in einem historischen Abwärtsstrudel befindet: Zwanzig Billionen Dollar Staatsschulden, eine zerfallende Infrastruktur und eine stagnierende Wirtschaft, riesige Blasen an den Anleihe-, Aktien- und Immobilienmärkten, ein nicht mehr zu kontrollierender Finanzsektor und dazu eine Zentralbank, der nach mehreren Rundes des Gelddruckens und jahrelangen Zinssenkungen die Mittel zum Eingreifen ausgehen – die USA stecken in den größten Problemen in ihrer zweihundertjährigen Geschichte.

Wie Trump ihnen begegnen will, zeigt die Zusammensetzung seines Kabinetts: Nachdem er im Wahlkampf versprochen hatte, den „Sumpf in Washington“ trocken zu legen und die USA aus Kriegen herauszuhalten, hat er nach einer 180-Grad-Kehrwende eine Regierung geschaffen, in der Wall-Street-Banker und Militärs Schlüsselpositionen bekleiden. In den ersten vier Monaten seiner Amtszeit hat er beiden Lagern nach Kräften zugearbeitet: Das US-Militär verfügt über einen höheren Etat und mehr Einfluss als je zuvor und durfte als Drohgebärde gegenüber dem Rest der Welt die größte Bombe seit Hiroshima und Nagasaki auf Afghanistan abwerfen. Die Finanzbranche jubelt, da die Kurse an den Aktien- und Anleihemärkten trotz miserabler Wirtschaftsdaten von einem Rekordstand zum nächsten eilen.

Doch egal, was Trump tut, die Maßnahmen werden nicht ausreichen, um den finalen Kollaps seines Landes abzuwenden: Die US-Wirtschaft kann unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht wieder in Gang gebracht werden, Trumps Wahlversprechen, „Jobs zu schaffen“ oder „millionenfach zurückzubringen“ sind nicht zu verwirklichen. Der Finanzsektor, ohnehin nur durch permanente Manipulation aufrechterhalten, wird weiter wuchern, der Zusammenbruch des Dollarsystems – der wichtigsten Stütze der USA – ist nur noch eine Frage der Zeit.

Dem „vergessenen kleinen Mann“, den Trump und sein Team so oft beschwören, stehen härtere Zeiten als unter allen vorhergehenden Präsidenten bevor. D.h.: Trump wird sich von denen, die ihn gewählt haben, immer weiter entfernen. In dieser Situation bleibt ihm nur eine Option: Krieg. Zum einen, um seine Anhängerschaft von den wahren Problemen der USA abzulenken, zum anderen, um im Rüstungssektor Arbeitsplätze zu schaffen und die Produktion anzukurbeln, um so den Verfall der USA über eine auf Kriegsproduktion umgestellte Wirtschaft zumindest vorübergehend aufzuhalten.

Die Weichen hierfür sind bereits gestellt. Die Auftragsbücher der US-Waffenproduzenten sind prall gefüllt, mit dem Nahost-Verbündeten Saudi-Arabien ist der Krieg im Jemen ausgeweitet worden und Nordkorea hat die größte Zusammenziehung von US-Truppen im Ausland seit Langem gesehen. Gleichzeitig nehmen die Provokationen des US-Establishments gegen Russland, China und Iran zu. Die bisher größte Provokation war neben dem Korea-Aufmarsch der Abwurf der Mega-Bombe auf Afghanistan.

Dennoch kann Trump zurzeit nicht ohne weiteres einen neuen Krieg vom Zaum brechen. Der Grund: Ein Krieg würde der US-Bevölkerung gewaltige Opfer abverlangen und seiner Anhängerschaft deutlich vor Augen führen, wie die 99 Prozent einmal mehr belastet würden, während das eine Prozent der Ultrareichen sich noch hemmungsloser am Kriegsgeschehen bereichert. Deshalb muss Trump in den vor uns liegenden Wochen und Monaten seine mit Abstand schwierigste Aufgabe bewältigen: Die US-Bevölkerung und vor allem sein eigenes Wahlvolk auf einen Krieg einstimmen, dessen Opfer vor allem sie selbst sein werden.

DEN GEGNER VERTEUFELN, DEN KRIEG AUS DER OPFERROLLE HERAUS BESTREITEN

Bei seiner medienwirksam inszenierten Kündigung des Klimaabkommens hat Trump eine Taktik angewendet, die in den USA eine über einhundertjährige Tradition besitzt: Er stellt andere Länder als Bedrohung für die USA dar und rückt das eigene Land in die Opferrolle. Während seiner Rede im Rosengarten des Weißen Hauses wies Trump immer wieder darauf hin, dass zahlreiche internationale Abkommen die USA gegenüber ihren Konkurrenten am Weltmarkt benachteiligten und es daher aus reinem Selbstschutz notwendig sei, sie zu kündigen.

Die Aussagen entbehren jeder Grundlage und treffen weder auf das Pariser Klimaabkommen, noch auf das bereits gekündigte Transpazifische Abkommen TPP, noch auf das mit Europa abgeschlossene TTIP zu. Sie dienen aber dazu, die wenig informierte Mehrheit der US-Bevölkerung gegen das Ausland aufzubringen und die Probleme der USA als Folge der US-feindlichen Politik ausländischer Mächte dastehen zu lassen. Diese Strategie hat diverse historische Parallelen, darunter das Verhalten der USA in beiden Weltkriegen:

Als es 1917 so aussah, als könne Deutschland den Ersten Weltkrieg gewinnen, fürchteten die USA um ihre an Großbritannien und andere Länder vergebenen Kredite. Da US-Präsident Woodrow Wilson 1916 mit dem Versprechen, die USA aus dem Krieg herauszuhalten, gewählt worden war, ließ die US-Regierung die bis dahin größte PR-Kampagne in der Geschichte des Landes entfachen und verteufelte Deutschland unter Einsatz aller Medien als „Hort des Bösen“. Das Ergebnis: Die US-Bevölkerung nahm den Kriegseintritt widerspruchslos hin.

Im Zweiten Weltkrieg brachten die USA Japan durch gezielte Provokation dazu, einen Angriff auf die US-Flotte im hawaiianischen Hafen Pearl Harbor zu planen. Obwohl die US-Dienste über die japanischen Angriffspläne informiert waren, ließ Präsident Roosevelt den Angriff geschehen und mehr als tausend junge Amerikaner durch die japanische Luftwaffe töten, um so aus der Opferrolle heraus in den Krieg einzutreten.

Auch in späteren US-Kriegen wurde diese Taktik angewandt: Der Einstieg in den Vietnamkrieg wurde damit begründet, dass Nordvietnam die US-Flotte im Golf von Tonkin beschossen habe – eine inzwischen als Lüge entlarvte, aber von der US-Regierung jahrelang aufrecht erhaltene Version. Zum Einstieg in den Irakkrieg wurde vor den Kameras der gesamten Welt behauptet, Saddam Hussein bedrohe die Welt durch Massenvernichtungswaffen – eine ebenfalls inzwischen als Lüge entlarvte Fabrikation der US-Geheimdienste.

Dass Trump derzeit alle Register zieht, wenn es um die Verteufelung des Auslands geht, ist kein Zeichen der Stärke, sondern verdeutlicht, wie groß die Probleme der Noch-Supermacht USA sind. Und wenn europäische Politiker Trumps Kündigung des Klimaabkommens kritisieren, dann liegt das nicht daran, dass ihnen das Klima oder der Umweltschutz so sehr am Herzen liegen, sondern einzig und allein daran, dass sie jede Gelegenheit ergreifen, um von dem horrenden Berg von Problemen, vor dem sie selber stehen, abzulenken – notfalls auch auf Kosten der guten Beziehungen zu ihrem Verbündeten USA.

Ernst Wolff, 5. Juni 2017