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MrWissen2go: Fälschen mit Teilwahrheiten. Neonazis ja, aber das ist nicht schlimm

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Man nimmt einen Kern Wahrheit, pflanzt ihn ein und macht einen riesigen Baum daraus. (...) Ein eigentlich vergleichsweise kleines Problem wird dadurch zu etwas deutlich größerem gemacht, aufgebauscht.“ - Fazit von Mirko Drotschmann

Der Youtuber und ausgebildete Journalist MrWissen2go alias Mirko Drotschmann, der für die öffentlich-rechtlichen Sender arbeitet und ein junges Publikum anspricht, hat vor wenigen Tagen ein Video produziert, das erklären soll, warum die „Putin-Propaganda“ falsch und die Ukraine gar nicht faschistisch ist.

https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=3ZEhLpSjHZk

Zunächst überrascht Drotschmann: Es gibt im Video kaum offensichtliche Lügen, vieles was die letzten Wochen totgeschwiegen wurde, spricht er direkt an und mit den Quellen unter dem Video kann man sich sogar ausführlicher informieren. Man merkt, wir haben es hier mit professionellen deutschen Journalisten und nicht mit den unbeholfenen ukrainischen Fakeproduzenten zu tun.

Wir wissen dank der deutschen Medien: nur bei Putin gibt es Propaganda, deutsche Medien erzählen immer die WAHRHEIT.

Aber wie genau funktioniert das?

MrWissen2Go

Drotschmann sagt beispielsweise: „Es gibt Neonazis in der Ukraine und ja, sie können teilweise die Regierung beeinflussen, genauso wie in Rußland!“

Behauptung oder Sachaussage? Aber wo bleiben die Beweise, die für diese Relativierung der ukrainischen Faschisten nötig sind? Welche rechtsextremen Organisationen beeinflussen die Regierung in Rußland und welche sind sogar Teil der Regierung oder der Armee, wie es in der Ukraine der Fall ist? Drotschmann kann gar nichts anders, denn offener Rassismus und Rechtsextremismus werden im traditionell multinationalen Rußland streng verfolgt. In direkter Übersetzung heißt der Staat nicht umsonst „Rußländische Föderation“, was bereits darauf hindeutet, daß es nicht exklusiv der Staat der Russen ist. In dem Jahrzehnt von 2000-2010 war der Rechtsextremismus tatsächlich weit verbreitet, aber gelangte nie in die Mainstream-Politik. Russische Nazis erhielten hohe Gefängnisstrafen und hatten keine Chancen, sich breiter zu organisieren. Heute ist die wirklich rechtsextreme Bewegung in Rußland kaum zu erwähnen. Die russische Regierung selbst ist konservativ. Auch uns als Kommunisten (sowohl in Deutschland wie auch in Rußland) gefällt diese Richtung nicht, aber konservativ ist nicht gleich rechtsextrem.

Aber das muß der Journalist Drotschmann nicht erwähnen, er relativiert einfach: in der Ukraine gibt es Neonazis, in Rußland und in Deutschland eben auch. So einfach und irrelevant ist das.

Wohl dosiert werden weitere Fakten beigebracht. Stephan Bandera habe sich zwar schuldig gemacht, daß er mit den deutschen Faschisten („NationalSOZIALISTEN“ bei Drotschmann natürlich) gearbeitet hat und Antisemit war. Es wird aber kein Wort über die grausamsten Verbrechen gesagt, die Banderas Anhänger begangen haben. Es stimmt, Bandera selbst befand sich meistens außerhalb der Ukraine. Aber es geht nicht nur um ihn, sondern um seine Anhänger. Auch Roman Schuchewytsch, ein anderer OUN-UPA-Führer, wird genauso hoch geschätzt wie Bandera. Auch nach ihm sind viele Straßen in der Ukraine genannt. Und Schuchewytsch war direkt persönlich an den Verbrechen gegen Juden, Russen, Belorussen und auch Ukrainer beteiligt.

Unerwähnt bleibt das schreckliche Pogrom gegen Juden in Lwow, das von Bandera auch persönlich abgesegnet war. Die verbrannten Dörfer in Belarus, das Wolyn-Massaker, wo die Bandera-Anhänger schätzungsweise 100.000 Polen, inklusive Babys, Kleinkinder, auf grausamste Weise ermordeten. Nein, das war keine rein zufällige „Zusammenarbeit mit Nazis“, diese Menschen selbst waren die schlimmsten und grausamsten Faschisten, die jeden töteten, der ihnen nicht paßte. Was weniger bekannt ist: Sie wüteten noch nach dem Krieg bis 1955. Es starben durch ihre Hände auch viele Ukrainer, die nichts mit ihnen zu tun haben wollten. Drotschmann erwähnt die Tötung Banderas in München durch den KGB, nicht aber, daß die Bandera-Banden auch nach Ende des Krieges noch weiter mordeten. Das zu erwähnen wäre aber unbequem und paßt so gar nicht ins Bild und wird tunlichst verschwiegen, genauso wie in der Ukraine selbst – da werden diese Verbrechen nicht rumposaunt, aber die Nazis selbst wissen ganz genau, wen sie sich zum Vorbild nehmen.

Weiter wird erklärt, daß Gewalt, Terror und Folter durch Nazis wie vom Regiment Asow zwar wirklich stattfinden, aber die Ukraine kein faschistisches Land ist. Darum könne es auch keine Entnazifizierung geben, weil…

  1. Es gäbe doch nur wenige Nazis! Sie bilden angeblich nur 1 % der Streitkräfte (Wie Drotschmann auf diese Zahlen kommt, ist mir schleierhaft, aber das ist die komplizierte Frage), und die rechtsradikalen Parteien bekämen ja nur 1 - 4% bei den Wahlen. Die übrigen Menschen in der Ukraine seien doch keine Nazis, sie wählen liberale Parteien und wollten eine „europäische Zukunft“.

Die Wahrheit lautet: Ja, die anderen sind nicht direkt Rechtsradikale. Dennoch sind sie von der Bandera-Ideologie indoktriniert, weil diese Ideologie im Land vorherrscht. Die eigene Version der Geschichte wird bereits in Kindergärten und in Schulen beigebracht. Das ist eine Version der Geschichte, in der die SS-Batallions „Roland“ und „Nachtigall“ nationale Helden sind und alle Russen Feinde. Das ist kaum zu glauben, aber das lernen alle Kinder in der Ukraine. Und da es bereits seit 1991 andauert, gibt es bereits eine Generation von Erwachsenen, die nichts anderes kennt. Das macht natürlich nicht jeden sofort zu einem Faschisten. Aber SS, OUN-UPA, die Fackelzüge von Faschisten sind für sie eine Normalität, in der sie leben. Viele Menschen, besonders im Osten der Ukraine, und die der älteren Generation empfinden dafür Verachtung. Insgesamt ist das aber nicht so viel anders als es im faschistischem Deutschland war: es gab SS-Männer, NSDAP-Mitglieder, Sympathisanten, die vielleicht ihren Vorteil aus der Ausbeutung der Ostarbeiter zogen, normale indifferente Bürger und natürlich auch Antifaschisten. Ein solches Spektrum können wir auch in der Ukraine beobachten.

  1. Die Nazis haben einfach zusammen mit allen guten Ukrainern für ein edles Ziel gekämpft – nationale Unabhängigkeit!

Es ist mir absolut schleierhaft, was unter „nationaler Unabhängigkeit“ verstanden wird. Die Ukraine bekam ihren eigenen Staat zum ersten Mal im Jahre 1917. Die Nationalisten behaupten natürlich, die sowjetische Ukraine sei von den Russen unterdrückt worden und nicht unabhängig gewesen. Ich werde an dieser Stelle darüber nicht diskutieren. Man kann aber nicht bestreiten, daß die Ukraine ab 1991 ein von Rußland komplett unabhängiges Land geworden war. Rußland war damals selbst zu schwach, um irgendjemandem etwas zu diktieren. Aus dem Handel mit Rußland zog die Ukraine nur Vorteile und hat auch frei mit allen anderen Ländern gehandelt. Welche Unabhängigkeit wollten die Ukrainer 2014 erobern, als sie den Euromaidan starteten? Sie waren bereits komplett unabhängig!

Oder was für edle Zielen verfolgten sie, als sie angefangen haben, auf die eigenen Leute im Osten des Landes zu schießen? Das war eine ganz normale Separatismus-Bekämpfung. In zivilisierteren kapitalistischen Ländern entscheidet man solche Fragen ohne Waffen. Rußland hat die Separatisten zwar tatsächlich mit Waffen und Ausbildung unterstützt, aber genauso schickte die NATO Waffen und Instrukteure zur Ukraine. Auf die Zivilisten im Donbass schossen nicht nur Nazis aus mehreren Einheiten, wie Asow, „Donbass“, „Aidar“, „Dnepr-1“ usw (hier kommen wir schon über die kleingerechneten „nur“ 2.500 Nazikämpfer im Gegensatz zur 450.000 Mann starken regulären Armee!), sondern auch die regulären ukrainischen Streitkräfte. Der Separatismus rechtfertigt dieses Vorgehen in keiner Weise, ohnehin müßte man eher nach den Gründen fragen. Das war seitens der Ukraine kein „Kampf um Unabhängigkeit“, Rußland hatte damals keine Intention, die Donbass-Republiken oder gar die gesamte Ukraine einzunehmen. Die russische Regierung hatte damals noch Illusionen, daß man mit der NATO gerecht verhandeln könne. Das war lediglich ein Kampf dafür, die aufständischen Regionen zu unterdrücken und ihre Freiheit zu verhindern. (Was ist eigentlich mit deren Unabhängigkeit?!) Edel ist das nicht und die brutalen Methoden der ukrainischen Seite erst recht nicht. Drotschmann stellt die Ereignisse komplett auf den Kopf. Laut seiner Darstellung ging 2014 nach einer „Revolution“ die Aggression vom Donbass aus und sei von Rußland angezettelt worden. Die Ukraine habe sich dagegen nur gewehrt, ist also quasi der Underdog. daß die Menschen im Donbass und auf der Krim verständlicherweise keine Lust auf Bandera-Kult, Granatenbeschuss und Folter haben, ist ihm völlig unbekannt.

  1. Der Präsident sei Jude.

Diese Tatsache ist das verbreitetste Totschlagargument. Wenn man danach ginge, könnte Erich Milch, der sogenannter Halbjude gewesen sein soll, auch kein Nürnberger Kriegsverbrecher gewesen sein. Aber es geht gar nicht darum. Antisemitismus war zwar wichtig für die OUN-UPA in den 1940er Jahren, ist aber absolut unzulässig in der heutigen Welt. Erstens würden die Ukrainer dann wirklich die ganze Unterstützung aus Europa verlieren. Zweitens, einige ukrainische Oligarchen sind eigentlich auch Juden. So z. B. Poroschenko und Kolomoisky, der letzte hat massiv das Bataillon „Asow“ finanziert. Unter diesen Umständen wäre der offene Antisemitismus sehr ungünstig. Deswegen gibt es ihn kaum in der Ukraine. Aber ich hoffe, Herr Drotschmann denkt nicht, daß nur Antisemiten „echte“ Faschisten sein können und daß ohne Antisemitismus kein Faschismus existieren kann? Dafür gibt es dort einen sehr ausgeprägten Russenhass. Und damit meine ich nicht die natürliche Abneigung gegen ein vermeintlich „imperialistisches“, räuberisches Nachbarland, das wäre etwas anderes. Damit meine ich eine wirklich menschenverachtende Ideologie und Praxis, wo bereits kleine Kinder lernen, daß die Russen böse sind und die normalen Russen und Ostukrainer, die im Land leben, diffamiert und diskriminiert werden. Damit meine ich antirussische Parolen, die sich Russen seit mehreren Jahren anhören müssen. Übrigens: Auch der Hass auf die Polen, den OUN-UPA pflegten, wird von den neuen Faschisten zurückgestellt. Andere Zeiten, andere Prioritäten.

Generell ist die Vorstellung, daß der Faschismus die „Diktatur eines Mannes“ sein muß und unbedingt antisemitisch, sehr naiv.

Die Ukraine ist ein Land der Peripherie und sie hat einen typischen „Dritte-Welt-Faschismus“, so wie er in Lateinamerika oft vorkommt: mit Parlament und Wahlen, aber auch mit Paramilitärs, die eigentlich alles im Land bestimmen und jeden in Angst und Schrecken versetzen.

Noch ein Argument, das immer wiederholt wird: Der Krieg sei dadurch nicht zu rechtfertigen. Man dürfe doch trotzdem nicht in ein fremdes Land eindringen und dort Ordnung schaffen. Eher gesagt: das darf nur die NATO und das hat sie immer schon gemacht. Aber das darf nicht irgendein Land, noch dazu mit dem Westen verfeindet, eben Rußland.

Ja, das darf Rußland natürlich nicht. Faschismus war auch nicht der Hauptgrund der Militäroperation. Der Hauptgrund: Die Sicherheit Rußlands generell und eindeutig existierende Pläne einer großen Offensive, die bereits am 17.02. mit Artilleriebeschußdes Donbass durch die Ukraine begonnen wurden. Es gab sogar Treffer auf dem Territorium Rußlands selbst. Für den 28.02 plante die Ukraine eine massive Offensive auf den Donbass und die Krim. Darauf gefolgt wäre die Erweiterung der NATO, Aufbau der neuen Stützpunkte direkt an der russischen Grenze und eine direkte Gefährdung der Sicherheit. Das war der Hauptgrund der Militäroperation und das ist der Grund, warum die Mehrheit der russischen Bevölkerung dahintersteht.

Entnazifizierung ist auch notwendig, aber wenn dieses Land nicht eine direkte Gefahr für Rußland dargestellt hätte, gäbe es keine Militäroperation.

Besonders schön in diesem Video ist, daß MrWissen2go die Zuschauer ermuntert, in den Comments ihre Meinung zu äußern. Die Comments wurden aber, nachdem sie anfangs offen waren, deaktiviert. Man kann vermuten, die geäußerten Meinungen paßten den deutschen Propaganda-Meistern nicht in ihren Plan. Aber das wissen wir schon: Freiheit, verschiedene Meinungen sind willkommen, Demokratie, die Gedanken sind frei… So wie eh und je in der Bundesrepublik Deutschland.

 

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